Utopia Teil 5 – Ein Training in der o4U-Fußballschule des Lebens
Dieser Utopia-Blog ist der wahrscheinlich konkreteste bis
jetzt. Denn die „o4U-Fußballschule“ ist tatsächlich ein Projekt, das wir gerade
austesten und entwickeln und bei dem die Realität am Ende gar nicht so weit weg
von diesem Artikel sein könnte.
Allerdings will ich keine Mauern ziehen, die unsere Ideen eingrenzen, sondern
ein Fundament der Inspiration schaffen, damit sich die Idee noch schneller
ausbreiten und weiterentwickeln kann. Nichts muss, alles kann und ich wünsche
Dir viel Spaß beim Lesen.
Dienstag, 15.30
„Jetzt will ich aber wirklich los, Mama!“ Levin springt vom
Tisch auf, stellt seinen Teller noch schnell in die Spülmaschine und flitzt in
sein Zimmer. Dort schwingt er sich seinen Rucksack mit Sportsachen auf den
Rücken und macht noch einen kurzen Abstecher zurück in die Küche, wo seine
Mutter bereits die Trinkflasche bereithält.
Woher sie es immer weiß, wenn ich etwas
vergessen habe?
Sie schaut ihn mit dem Blick an, den er nur zu gut kennt und er nimmt sie kurz
in den Arm und lässt sich einen Kuss auf die Backe drücken. Er ist sich
manchmal nicht ganz sicher, ob das mit zwölf noch cool ist, aber irgendwie ist
es doch auch schön.
Jetzt aber schnell aufs Fahrrad und ab die Post. Vor dem Training will ich
auf jeden Fall noch ein bisschen Zeit mit den anderen Jungs verbringen.
Als er beim
o4U-Sportplatz ankommt und mit seinem Fahrrad den gewohnten Weg zwischen
Tennishalle und Volleyballfeld nimmt, hört er schon die fröhlichen Stimmen
seiner Mitspieler und Trainer. Er kann sich fast denken, worum es geht, und
sein Verdacht wird bestätigt, als er um die Ecke biegt und sieht, wie sein
Trainer Roger unter großem Gejohle der Spieler zum Elfmeter anläuft und den
Ball meilenweit über die Querlatte jagt. Was allerdings kein Zufall war:
Wie jede Woche hatten sie zum Thema der Woche ein Vorbereitungsvideo von Roger
bekommen. Passend zum dieswöchigen Thema „Umgang mit Angst und Druck“ hatte
Roger neben den üblichen Tipps und Infos ein Video von einem seiner eigenen
früheren Spiele eingebettet, in dem er einen entscheidenden Elfmeter weit übers
Tor geschossen hatte. Das hatten sich natürlich alle angeschaut!
Bevor Levin die
anderen begrüßt, geht er noch beim „W/L-Whiteboard“ vorbei und schreibt seinen
Namen unter „Der Motivator – heute feuere ich meine Mitspieler positiv an.“
Dort trägt man vor jedem Training oder Spiel ein, worauf man heute
besonders achten will und später darf man dann für sich selbst entscheiden, ob
es ein W (für Win) oder L (für Loss) war. Es gibt verschiedene Optionen, aber
man kann auch etwas Neues dazuschreiben. Am Anfang fand Levin es immer ein
bisschen komisch, aber mittlerweile merkt er immer mehr, wie es ihm hilft,
seine Zufriedenheit weniger vom Ergebnis oder anderen äußeren Faktoren abhängig
zu machen.
Jetzt aber ab aufs Feld und noch ein
bisschen kicken, bevor das Training richtig losgeht.
Nachdem er alle begrüßt hat, stürzt Levin sich mit ins
Getümmel und nach gefühlten 30 Sekunden rufen Roger und die anderen Trainer sie
schon in der Mitte zusammen und das Training geht los. Wie immer beginnen sie
mit einer Minute Stille. Ob man die Augen auf oder zu macht, darf man selbst
entscheiden, aber für eine Minute macht niemand einen Mucks. Es fühlt sich
jedes Mal erstaunlich lange an und wie immer hat Levin das Gefühl, so richtig
angekommen zu sein, als er seine Augen wieder öffnet. Als Einstieg sprechen sie
heute kurz über Momente der Angst und des Drucks. Roger erzählt, wie es sich
für ihn angefühlt hat, als er den Elfmeter verschossen hat und fragt danach in
die Runde, ob es auch bei anderen Momente gab, in denen sie unter Druck standen
und dann versagt haben. Und natürlich gab es die.
Ein paar Spieler teilen ihre Erfahrungen und Geschichten.
Manche sind sehr persönlich, andere eher lustig und es tut gut, seine eigene
Geschichte zu erzählen und den anderen zuzuhören. Denn natürlich kennt jeder
das Gefühl von Angst und jedem fällt es unter Druck schwerer, seine Leistung zu
bringen.
Dann geht es los mit der ersten Übung. Wie fast immer gibt
es zu Beginn verschiedene Auswahlmöglichkeiten. Wie bei der Freiarbeitszeit an
einer Montessori-Schule darf jeder sich aussuchen, was er machen möchte.
Ich will unbedingt weiter meinen schwachen Fuß verbessern, um noch
torgefährlicher zu werden.
Also geht Levin zu der Gruppe, bei der der schwache Fuß im Vordergrund steht
und verbringt die nächsten Minuten in voller Konzentration damit, an seinen
technischen Fähigkeiten zu feilen. Wie Roger vor ein paar Wochen erklärt hat,
stoßen Levin und seine Mitspieler jedes Mal einen Jubelschrei aus, wenn ihnen
etwas gut gelingt. Das klingt von außen ein bisschen wie eine wildgewordene
Affenhorde, aber macht ihnen riesig Spaß und steigert ihre Motivation, Neues
auszuprobieren.
Nach 15 Minuten des Kreischens und Kickens treffen sich alle
wieder in der Mitte des Feldes. Greta - eine Trainerin – fragt in die Runde,
was denn ihre Ideen und Lieblingstools sind, um mit Druck umzugehen. Es werden
ein paar Ideen aus Rogers Video genannt, wie zum Beispiel Mantras oder der
Fokus auf den Atem, aber es gibt auch ein paar ganz neue Ideen. Levin ist
ziemlich stolz auf seinen eigenen Beitrag, nämlich die Visualisierung. Seit sie
das Thema im Training vor ein paar Wochen hatten, hat er regelmäßig
visualisiert und gemerkt, wie sehr ihm das hilft. Sogar bei einer Klassenarbeit
hatte er das Mal angewendet.
Bei der nächsten Übung gibt es viele Zweikämpfe und
Eins-gegen-Eins-Duelle, aber man hat auch immer wieder kurz Pause, um in sich
zu gehen und sich auf die nächste Situation vorzubereiten. Levin probiert viele
verschiedene Sachen aus und tatsächlich: Er merkt, wie die verschiedenen Tools
ihm helfen, seinen Kopf zu leeren und „einfach Fußball zu spielen“. Denn wie
Roger im Video erklärt hat: „Der Nummer Eins Grund für Versagen in wichtigen
Momenten ist, nachzudenken.“
Das Niveau insgesamt ist extrem hoch, denn Levin ist natürlich nicht der
Einzige, der direkt von den Tipps profitiert. Nach den 20 Minuten der Übung hat
er das Gefühl, dass seine Zweikampfführung sich um ein Vielfaches verbessert
hat. Roger entlässt sie in eine kurze Trinkpause, allerdings wie immer mit
einer kleinen Aufgabe. Heute soll jeder mindestens ein Kompliment machen. Klassischer
Roger! Levin fühlt sich sehr geschmeichelt, als ihn gleich mehrere für seinen
Einsatz loben, aber es macht ihm sogar noch mehr Spaß, seinerseits Lob zu
verteilen und zu sehen, wie es die anderen freut.
Jetzt aber genug der Liebe und zurück zum Fußball. Auf dem
Feld liegen schon die Leibchen und wie immer werden die Teams selbst gebildet.
Es wird „Barcelona“ gespielt. Enges Feld mit viel Tempo, sobald ein Tor fällt,
kommt eine neue Mannschaft ins Feld. Levin erwischt sich in den Pausen immer
wieder selbst dabei, wie er sich auf seinen Atem fokussiert und manchmal sogar
kurz seine Augen schließt. Das „Barcelona“ ist wie immer ein großer Spaß. Aber
es ist -anders als sonst – heute nicht die letzte Übung.
Passend zum Thema des Trainings gibt es zum Abschluss noch
eine Runde Elfmeterschießen. Allerdings kein ganz normales. Auf einer Musikbox
ist voll aufgedrehte Stadionatmosphäre zu hören. Die anderen Spieler und
Trainer verteilen sich um den Schützen, den Strafraum und das Tor und haben die
Aufgabe, für ganz viel Ablenkung und Druck zu sorgen. Manche machen Lärm,
andere schneiden Grimassen oder hüpfen durch die Gegend. Außerdem muss jeder,
der nicht trifft, drei Temporunden laufen. Die äußeren Umstände sind also alles
andere als einfach. Aber Levin freut sich sogar darauf.
Zum Glück habe ich in den letzten Wochen
ganz oft visualisiert, den entscheidenden Elfmeter im Champions League-Finale
zu schießen. Das ist nochmal deutlich mehr Druck als ein paar tanzende
Gestalten und ein paar Temporunden.
Nach und nach schießen die anderen.
Manche treffen, andere verschießen und ihnen allen merkt man an, dass es kein
ganz normales Elferschießen ist. Allerdings ist es auch deutlich zu erkennen,
wie fast jeder vor dem Schuss nochmal kurz in sich geht und einmal tief
durchatmet. Und noch viel cooler: Nach jedem Elfmeter sind sofort ein paar
Mitspieler beim Schützen, um ihm zu gratulieren oder ihn aufzumuntern.
Dann ist Levin an der Reihe. Er atmet einmal tief durch und
der Lärm ebbt ab. Er schließt kurz seine Augen und sieht vor seinem inneren
Auge wie der Ball rechts oben im Winkel einschlägt. Mit einem zufriedenen
Lächeln öffnet er seine Augen, läuft an und setzt den Ball oben rechts in den
Winkel. Als hätte er es schon Hunderte Male gemacht. Aber das hat er ja auch,
nur nicht in echt, sondern in seinem Kopf. Er nimmt die Glückwünsche seiner
Kollegen gelassen entgegen und schaut die letzten Schüsse an. Zum Abschluss
nimmt sich Roger noch einmal den Ball, aber dieses Mal verwandelt er eiskalt.
Danach endet das Training wie immer mit einer kurzen
gemeinsamen Reflektion, bei der sich gegenseitig gefeiert wird, und einem
kurzen Cooldown. Für drei Minuten legen sich alle auf den Boden und fokussieren
sich nur auf ihren Atem. Das hilft, um Körper und Geist wieder vom Stress des
Trainings in den Regenerationsmodus zurückzuholen. Dann verabschieden sich
alle, natürlich nicht ohne noch ein W oder L am Whiteboard zu setzen.
Heute habe ich mir das W wirklich
verdient. Nach und vor jedem Elfmeter habe ich meine Mitspieler angefeuert.
Als Levin gerade gehen will, ruft Roger ihn nochmal zu sich. Er fragt ihn,
ob er sich vorstellen könnte, mal bei einer jüngeren Gruppe als Trainer
mitzuhelfen. Auch viel von Levins Trainern waren oder sind selbst als Spieler
in der Fußballschule aktiv.
Und ob ich mir das vorstellen kann!
Mit einem breiten Grinsen schwingt Levin sich auf sein Fahrrad und radelt gut
gelaunt nach Hause. Voller Vorfreude aufs Abendessen - und das Training in der
nächsten Woche natürlich!
Erstmal
vielen Dank, dass Du bis hierher gelesen hast. Ich hoffe, es war unterhaltsam.
Wenn Du die Vision spannend findest, andere Ideen hast, Deine Kinder in unsere
Fußballschule schicken oder selbst hingehen willst, Lust hättest, Dich als
Trainer, Greenkeeper oder in sonst irgendeiner Rolle einzubringen oder Dir
sonst irgendetwas dazu einfällt, würde wir uns über eine Nachricht oder ein
Gespräch sehr freuen. Ganz egal auf welchem Weg.
Meine Email-Adresse: anselm@o4unity.de
Meine Handynummer: 0157 82877638