
Ich kann mich noch genau erinnern, wie ich mir früher vorgenommen habe, für wichtige Klassenarbeiten „dieses Mal aber wirklich gut zu lernen und frühzeitig anzufangen“.
Aber je näher die Arbeit gerückt ist, desto mehr kam ich in die „Aufräumphase“, an die ich immer wieder schmunzelnd denke. Ich habe wirklich ALLE Sachen gemacht, die es so zu tun gab, nur eben nicht für die Arbeit gelernt. Klamotten neu sortieren, irgendwelche Bücher anfangen, sogar Hausaufgaben für andere Fächer machen – nur eben nicht das, von dem ich ganz genau wusste, dass es das Allerwichtigste war!
Wenn ich meinem damaligen Ich aus meiner heutigen Perspektive einen Tipp zu dem Thema geben dürfte, dann wäre das definitiv, sich mal mit der Motivationsgleichung auseinanderzusetzen, die ich in diesem Blogartikel erklären werde. Das wird zwar keine Motivation aus dem Nichts kreieren, allerdings bringt es eine große Klarheit und Konkretheit in ein ansonsten sehr abstraktes Konstrukt. Anhand der verschiedenen Parameter lässt sich gut erkennen, wo das eigentliche Problem liegt und das Wichtigste: Motivation an sich lässt sich auf den ersten Blick nur schwer verändern, aber an den einzelnen Punkten kann man sehr viel schrauben und damit letztlich auch an der Motivation insgesamt.
Im folgenden Beitrag werde ich die Gleichung erklären, die einzelnen Punkte herunterbrechen und Inspirationen teilen, wie sich dadurch an der Motivation arbeiten lässt.
Die Motivationsgleichung
(Original aus dem Buch „The Procrastination Equation“ / „Der Zauderberg“ von Piers Steele)

Es gilt das Gleiche wie bei einer mathematischen Gleichung: Das Verhältnis der Werte über und unter dem Strich ist entscheidend für den Gesamtwert. Wert und Glaube sind hoch, während Impulsivität und Verzögerung niedrig sind? In dem Fall ist die Motivation sehr hoch (und umgekehrt).
Man könnte beispielsweise 1 als niedrigsten und 10 als höchsten Wert festlegen, sich eine Sache aussuchen und dann das Ganze durchrechnen. Beispiel: Meine Motivation, diesen Blogartikel zu schreiben.
Motivation Blog=Wert 8 x Glaube 10Impulsivität 5 x Verzögerung 2 = 8
Die Motivation wäre also 8. Wichtiger als die tatsächliche Zahl ist aber die Klarheit über die einzelnen Faktoren. Es ist klar, dass das niemals ein perfektes Abbild der Realität sein wird und alle Zahlen im richtigen Verhältnis stehen. Trotzdem lässt sich für mich in diesem Beispiel eindeutig erkennen, dass das Thema Impulsivität sehr relevant ist. Wenn dort eine 1 statt einer 5 stünde, dann käme ich bei satten 40 raus.
Ich denke das Prinzip ist klar und wir können uns jetzt die einzelnen Punkte anschauen.
Wert
Der zugleich wichtigste und am schwersten zu verändernde Punkt. Welchen Wert messen wir der Sache bei? Was ist unser Warum dahinter? Wie sehr will ich eine Sache wirklich machen? Wieso wollen wir diese bestimmte Sache machen?
Wenn ich von einem Messermörder verfolgt werde, bin ich deutlich motivierter zu rennen als bei der morgendlichen Joggingrunde, weil „Überleben“ mir deutlich wichtiger ist als „ein bisschen fitter zu werden“. Der Wert ist deutlich größer.
In meinem Beispiel, nämlich diesen Beitrag zu schreiben, ist der Wert mit einer 8 ziemlich hoch. Ich bin sehr fest davon überzeugt, dass das mir selbst hilft, Klarheit zu bekommen, es eine coole Sache ist, um die Themen, die ich mit den Kindern behandle auch Eltern und Lehrern zu vermitteln und weil es sich in Zukunft auszahlen wird, das aktuell konstant zu machen.
Wie kann man den Wert verändern?
Wie oben schon erwähnt ist „Wert“, der Punkt, bei dem man am wenigsten verändern kann. Was man allerdings sehr wohl tun kann ist, Klarheit zu bekommen, wie es wirklich aussieht. Oft ist nicht das Problem, dass der Wert zu niedrig ist, sondern dass wir schlicht und einfach nicht genau wissen, wie wichtig eine Sache bzw. was ihr tatsächlicher Wert für uns ist.
EIne einfache Lösung wäre Journaln oder sich in irgendeiner Weise damit auseinandersetzen wie wichtig einem etwas ist. Stift auf Papier funktioniert da sehr gut, aber auch Gespräche mit anderen können viel Klarheit bringen.
Was einen in der Hinsicht Wert auch voranbringt, ist, sich die Zusammenhänge bewusst zu machen: Meinem Französisch Vokabeltest alleine messe ich vielleicht wenig Wert bei. Aber meine generelle Konzentrationsfähigkeit, meine Jahresnote, mein Abitur, mein Traumberuf sind alles Dinge, die bei genauerer Betrachtung doch irgendwie damit zusammenhängen und dem Vokabeltest eine andere Bedeutung geben können.
Glaube
Wie groß ist meine Überzeugung? Wie sehr glaube ich, dass ich die Sache schaffen kann? Es gibt viele Dinge, bei denen unser Wert wahrscheinlich sehr, sehr hoch wäre (zB Weltfrieden), aber wir glauben schlicht und einfach nicht daran, dass wir es schaffen bzw. wie wir uns in die Richtung bewegen können. Die Motivation für die Mathearbeit zu lernen ist definitiv höher, wenn ich auch daran glaube, dass ich das Thema irgendwann verstehen kann und die Aufgaben im Rahmen meiner Fähigkeiten liegen.
Anders sieht es beispielsweise beim Thema Staubsaugen aus. Da scheitert es definitiv nicht am mangelnden Glauben in die eigenen Fähigkeiten, sondern eher an anderen Punkten.
In meinem Blog-Beispiel, war es eine klare 10. Ich habe schon zahlreiche Blogs geschrieben, mich schon viel mit dem Thema Motivation auseinandergesetzt und zweifle nicht daran, dass ich es schaffen kann, wenn ich denn möchte.
Glauben verändern
Was tue ich, wenn ich denke, dass ich etwas nicht kann? Schritt 1: Ich sage mir, dass ich das noch nicht kann. Das Growth Mindset hilft, vor allem beim Punkt Glauben. 🙂
Andere Wege, an seinem Glauben zu arbeiten, sind beispielsweise Visualisierung oder sich positive Inspirationen zu suchen. Wenn ich mich selbst oder jemand anderen, tatsächlich sehen kann, wie sie etwas schaffen, dann fällt es mir leichter, daran zu glauben.
Und wenn ich einmal etwas geschafft habe, von dem ich dachte, dass ich es nicht könnte, hilft mir das beim nächsten Mal. Außer ich habe es schon wieder vergessen. Deswegen hilft es, sich seine vergangenen Erfolge bewusst zu machen und als Antrieb für kommende Herausforderungen zu nutzen.
Impulsivität
Ahhh, mein Lieblingspunkt. Der fast immer herauskommt, wenn ich schaue, warum ich eine Sache nicht mache, obwohl ich fest davon überzeugt bin, dass es eigentlich das Richtige ist und ich auch fest daran glaube, dass ich es schaffen kann.
Wenn ich in einem leeren Raum mit nichts als meinem Mathematikbuch eingesperrt wäre, ist die Wahrscheinlichkeit deutlich höher, dass ich es lesen werde. Je nachdem, wann man mich da rausholt, bin ich irgendwann wahrscheinlich sogar ziemlich gut in Mathe. Anders sieht es aus, wenn ich zuhause sitze, mein Handy andauernd summt und nebenher der Fernseher läuft.
Die Impulsivität bzw. Ablenkbarkeit hat in vielen Fällen einen ziemlich hohen Einfluss auf unsere Motivation. Zum einen ist die Frage, wie viele Alternativen es gibt und zum anderen ist wichtig, wie gut ich damit umgehen kann, wie hoch meine Konzentrationsfähigkeit ist.
In meinem Beispiel war die Impulsivität vor allem bei einer 5, weil ich aktuell viele Sachen im Kopf habe, die wichtig sind und die ich dieses Jahr noch erledigen will. Das erschwert einerseits die Entscheidung, den Artikel zu schreiben und andererseits merke ich zwischendurch, wie ich immer wieder abschweife und an andere Aufgaben denke.
Impulsivität verändern
An der Fähigkeit, sich zu konzentrieren, lässt sich arbeiten wie an allen anderen Fähigkeiten auch: Wenn Du Deine Ausdauer verbessern willst, was machst Du? Egal ob Joggen, Fahrrad oder welcher Sport auch immer, am Ende ist es Übung. Das gilt genauso für unsere Konzentration, denn die ist nicht vorbestimmt, sondern lässt sich sehr wohl beeinflussen, aber das ist eine andere Diskussion. 🙂
Was sich auf jeden Fall beeinflussen lässt, ist unser Umfeld. Und das hat einen maßgeblichen Einfluss auf unsere Impulsivität. Wenn mein Handy stummgeschaltet und außer Reichweite ist, meine Aufgaben vor mir auf dem ansonsten leeren Tisch liegen und nicht ständig jemand mich was fragt, dann ist die Impulsivität viel niedriger und die Motivation damit deutlich höher.
Wie das sich genau umsetzen lässt, sieht bei allen unterschiedlich aus, aber universell ist: Proaktivität zahlt sich aus! Einfach nur die Dinge zu entfernen/unsichtbar zu machen, die uns ablenken, hat einen Rieseneinfluss auf unsere Motivation, obwohl sich an Wert und Glaube gar nichts geändert hat.
Verzögerung
Auch der Einfluss der Verzögerung ist sehr offensichtlich, wenn man das Prinzip mal verstanden hat. Je dringlicher die Aufgabe, desto kleiner die Verzögerung. Und die ist auch der Grund, warum die meisten dann doch erst am Abend vor der Arbeit lernen und nicht schon zwei Wochen davor, obwohl es doch so klar ist, dass man sich damit Aufwand erspart.
Die Verzögerung für diesen Artikel ist relativ gering, weil ich ihn morgen in der Mail an die Eltern des aktuellen Projekts einbauen will. Ich habe keine 1, sondern eine 2 gegeben, weil ich es zwar eigentlich morgen machen will, aber doch noch ein bisschen vor mir herschieben könnte, wenn ich denn wollte.
Verzögerung verändern
Wir wissen, dass es wichtig und richtig wäre, schon Wochen vor der Arbeit mit dem Lernen zu beginnen oder nicht erst eine Woche vor dem Marathon mit dem Lauftraining zu beginnen – aber wie können wir uns das erleichtern bzw. die Verzögerung verringern?
Ein sehr simples und sehr mächtiges Tool ist: Jubeln. Ganz einfach. Die “Belohnung” für das Lauftraining wäre normalerweise der Marathon und der liegt noch weit weg. Also hol ich sie mir her und juble intensiv und laut direkt nach dem Training. Das setzt Glückshormone frei und davon will mein Körper mehr.
Dieses Belohnungsprinzip funktioniert natürlich auch mit anderen Dingen, da sind der Kreativität keine Grenzen gesetzt.
Eine andere Möglichkeit ist, sich das Ganze greifbarer zu machen und beispielsweise mit Strichlisten und/oder Zwischenzielen zu arbeiten. Dadurch wird das ferne Ziel in den jetzigen Moment (oder zumindest näher ran) geholt und die Motivation dadurch erhöht.
Wie ich die Gleichung nutze
Die ganze schöne Idee bringt natürlich wenig, wenn sie nicht genutzt wird und da gibt es verschiedenste Wege. Meine häufigste Nutzung ist tatsächlich, wenn ich merke, dass ich für etwas nicht motiviert bin, aber keine Klarheit habe warum. Sobald ich genauer einsteige und die vier Parameter durchgehe, habe ich eine Vorstellung, wo es hängt und was ich tun kann.
Eine andere Möglichkeit wäre, sich Entscheidungen zu erleichtern. Wenn man im Kopf Dinge gegeneinander aufwiegt, landet man oft in Sackgassen. Aber wenn ich erkenne, dass ich zwei Sachen unterschiedlichen Wert beimesse, aber bei der Sache mit dem eigentlich höheren Wert die Impulsivität und Verzögerung hoch sind, dann kann das einiges vereinfachen.
Der letzte Bonus-Tipp für echte Motivationsprofis: Die Gleichung für Dinge nutzen, die man weniger tun will. Ich will aufhören zu rauchen/ Instagram zu benutzen/ Fleisch zu essen / was auch immer: Wie kann ich Wert und Glaube verringern und Impulsivität und Verzögerung erhöhen? Und voilá: Auf einmal ist die Motivation viel geringer und es ist deutlich leichter, die Sache nicht zu tun.
Ich hoffe, ich konnte mit diesem Beitrag ein bisschen Klarheit in ein oft sehr schwammiges Themengebiet bringen und vielleicht hast Du ja was mitgenommen, was Dir in Zukunft hilft.
Anselm
“How you do anything is how you do everything”