
Mindset. Schönes Wort, leider ohne passende deutsche Übersetzung.
Mit genau diesen Worten hatte ich auch das erste one4U zum Thema Mindset eingeleitet.
Doppelt hält besser.
Unser Mindset ist unsere Grundeinstellung in unserem Kopf. Die Art und Weise wie wir denken und an Sachen herangehen.
Es ist mehr als nur ein einzelner Gedanke, sondern quasi ein Grundgedanke, der die einzelnen Gedanken nach sich zieht. Ein Glaubenssatz, der unsere Herangehensweise bestimmt.
Die zwei Mindsets
Die Unterscheidung die mein Leben verändert hat?
Die Unterscheidung zwischen dem fixed Mindset und dem growth Mindset.
So nennt Carol Dweck die beiden Mindsets in ihrem gleichnamigen Buch (Video zum Buch).
Der eine Grundgedanke, der die beiden Denkweisen unterscheidet? Der Glaube an Talent.
Der Glaube, dass man eine Fähigkeit angeboren oder von Natur aus besitzt und dass dieses Talent dafür entscheidend ist, wie weit ich mich in einem bestimmten Bereich entwickeln werde. Das ist das fixe Mindset, wie wir es im Deutschen nennen. Der Glaube, dass schon von Anfang an fix ist, wie weit ich komme. Und dass ich selbst daran nicht viel verändern kann, sondern sich das ganze natürlich entwickelt.
Der klassische Spruch dazu:
„Entweder man hat es oder nicht.“
Der Gegenpart dazu ist das Growth Mindset. Wortwörtlich übersetzt das wachsende oder Wachstums-Mindset.
In diesem Mindset glaube ich, dass angeborenes Talent zwar einen gewissen Einfluss hat, aber dass dieses nur unseren Anfangspunkt bestimmt, nicht aber unseren Endpunkt. Stattdessen entscheidet unsere Entwicklung, unser Wachstum, wo wir enden werden. Ich glaube also, dass unsere Fähigkeiten nicht von Anfang an fix sind, sondern zu 99% veränderlich. Wir nennen das growth Mindset im Deutschen daher „dynamisches Mindset“.
Ein kleiner Grundgedanke, der unscheinbar daherkommt und auf den ersten Blick keine riesigen Auswirkungen hat.
Dennoch hat er mein Leben auf den Kopf gestellt. Wenn wir genauer hinschauen wird auch schnell klar, warum.
Unser scheinbar harmloser Ausgangsgedanke zieht nämlich einen ganzen Rattenschwanz an Konsequenzen nach sich.
Das Experiment
Carol Dweck beschreibt in ihrem Buch ein Experiment, das mit 5.-Klässlern durchgeführt wurde. Es war für mich ein Augenöffner und ist bis heute eine meiner absoluten Lieblingsstudien.
- Die Schüler wurden in zwei Gruppen aufgeteilt und bekamen in Runde 1 machbare, eher leichte Aufgaben gestellt. Beide Gruppen schnitten erwartungsgemäß gleich gut ab.
- Vor der Runde zwei bekamen die Schüler nun folgende Rückmeldung:
Gruppe A: „Das hast du sehr gut gemacht – Du bist wohl sehr talentiert darin.“
Gruppe B: „Das hast du sehr gut gemacht – Du hast dich wohl sehr angestrengt.“ - In Runde 2 hatten die Schüler dann die Option, schwerere Aufgaben zu wählen oder Aufgaben vom gleichen Schwierigkeitsgrad wie in Runde 1.
- In Runde 3 bekamen alle eine unlösbare Aufgabe, bei der sie gescheitert sind.
- Runde 4 war dann wieder vom Schwierigkeitsgrad identisch zu Runde 1: Machbare, eher leichte Aufgaben.
Das Ergebnis in Runde 4:
Gruppe A schloss 20% schlechter ab als in Runde 1. Gruppe B 28% besser als in Runde 1.
Und der einzige Unterschied zwischen den zwei Gruppen war die Art des Lobes zwischen Runde 1 und 2.
Gruppe A wurde in das fixe Mindset geprimt. Gruppe B in das dynamische.
48% Prozent-Punkte Rückstand nur wegen eines Grundgedankens.
Die Folgen des fixen Mindsets
Das Unheil fängt mit den Gründen an, aus welchen ich handle.
Wenn mein Grundgedanke ist „entweder man hat es oder nicht“ und ich an meinen Fähigkeiten nicht besonders viel ändern kann, dann tue ich gut daran, zu zeigen, dass ich es habe. Sowohl anderen Leuten, als auch mir selbst.
Wenn meine Fähigkeiten fix sind, hängt mein Selbstbild auch damit zusammen, wie viele ich besitze.
Bei all meinem Handeln möchte ich daher manifestieren, dass ich gut bin, dass ich es drauf habe.
Langsam kann man die negativen Konsequenzen vielleicht erahnen.
Fixed Mindset + Einsatz
Wie denke ich über Einsatz/Anstrengung/Bemühen, wenn ich glaube, dass man es entweder hat oder nicht.
Wenn ich jemanden sehe, der sich anstrengt, der sich voll reinhaut und sich bemüht. Was sagt mir dann meine innere Stimme? Sie wird sagen: Derjenige hat es wohl nicht. Wenn er es wirklich draufhätte, müsste es sich nicht so bemühen.
Die Fähigkeit käme quasi spielerisch, mühelos zu uns.
Die Konsequenz? Ich selbst versuche die ganze Zeit so zu wirken, dass es mir leichtfällt. Dass die anderen denken „Der hat es drauf.“
Folglich strenge ich mich nie wirklich an, sondern versuche alles mit einer möglichst großen Leichtigkeit zu bewältigen.
Einsatz und Bemühen sind für mich negative Zeichen, die ich selbst möglichst vermeide, um gut dazustehen.
Fixed Mindset + Herausforderungen
Erst recht fällt mir dann natürlich der Umgang mit Herausforderungen schwer.
Wenn ich die ganze Zeit gut dastehen will, möchte ich möglichst nie verlieren. Jede Niederlage sendet mir die Nachricht, dass ich es wohl doch nicht habe. Und niemand zerstört gerne sein eigenes Selbstbild. Ich versuche es zu beschützen und vermeide daher Niederlagen mit allen Mitteln.
Das Problem mit Herausforderungen? Jede Herausforderung bringt auch die Gefahr mit sich zu verlieren. Wenn ich mich aus meiner Komfortzone heraus bewege, bin ich definitionsgemäß in einem Umfeld, in dem ich nicht mehr die volle Kontrolle habe. Es besteht also auch die Gefahr, schlecht dazustehen.
Folglich vermeide ich alle Situationen mit neuen Herausforderungen. Ich mache nur die Sachen, die ich ohnehin schon kann, da ich damit mein Selbstbild verfestigen kann, dass ich eine bestimmte Sache draufhabe.
Fixed Mindset + Rückschläge
Ein Rückschlag. Oh je. Mir wurde gerade klar, dass ich doch nicht so gut bin wie ich dachte.
Wenn ich es entweder habe oder nicht, dann ist die Botschaft eindeutig: Ich habe es doch nicht. Das was ich jahrelang als meine Stärke gesehen habe, ist eigentlich gar keine Stärke.
Konsequenterweise werde ich meine Energie nicht mehr für diese Sache „verschwenden“. Ich verliere die Lust und lasse von der Sache ab.
Fixed Mindset + Feedback
Feedback sehe ich immer als Angriff auf meine Person. Egal, ob mir jemand helfen möchte oder nicht. Was bei mir ankommt ist: „Du kannst das nicht so gut“. Wenn ich denke, dass man es entweder hat oder nicht, dann ist jedes Feedback schlecht. Egal wie gut es gemeint ist und wie sehr es mir weiterhelfen könnte.
Folglich werde ich Feedback möglichst vermeiden. Und wenn ich es unweigerlich doch erhalte, werde ich es abblocken und mich (mein Ego) „verteidigen“.
Fixed Mindset + Erfolg anderer
Vom Erfolg anderer lasse ich mich einschüchtern. Wenn anderer erfolgreich sind, muss das heißen, dass sie es „haben“.
Wenn ich zum gleichen Zeitpunkt weniger erfolgreich bin, dann haben die anderen mehr Talent als ich. Dann lohnt es sich auch für mich nicht, das Ganze weiter zu verfolgen.
Erfolg anderer ist also Gefahr für mein Selbstbild. Er demotiviert mich und ich verliere dadurch die Lust.
Fazit + Persönliches
Sich wenig Bemühen, Herausforderungen & Feedback meiden, sich von Rückschlägen und dem Erfolg anderer entmutigen lassen. Offensichtlich kein gutes Rezept, um sein Potential auszuschöpfen.
Und alles die Folge unseres unscheinbaren Grundgedankens.
Als ich das Buch im Alter von 21 las, wurde mir so einiges klar. Auf meine Jugendzeit zurückblickend konnte ich plötzlich viele meiner Verhaltensweisen und Gewohnheiten nachvollziehen.
Es gab viele Sachen, die ich schon als kleines Kind gut konnte und diese verfolgte ich mit großer Leidenschaft und Energie. Jedoch war mir immer wichtig, dabei gut dazustehen und lässig zu wirken. Neue Herausforderungen vermied ich konsequent. Feedback von anderen konnte ich nie akzeptieren, sondern wurde diskutiert. Grundsätzlich. Es gab immer eine gute Erklärung, warum es auf meine Weise doch richtig war.
Rückblickend war es einfach für mich zu erklären, warum das so war. Ich war total gefangen in dem fixen Mindset. Dem Denken, dass ich etwas halt einfach draufhabe. Und anderes eben nicht.
Und es war auch nicht mehr überraschend, dass ich in vielen Bereichen nicht mehr so herausragend war.
Bei den Sachen, bei denen ich als kleines Kind herausgeragt habe, war ich als Jugendlicher oder junger Erwachsener nur noch Mittelmaß. Zumindest im Vergleich zu früher. Das galt sowohl für den Fußball, als auch für Schach oder für Mathe in der Schule. Überall konnte ich die Konsequenzen meines Mindsets erkennen.
Für mich war daher klar: So möchte ich nicht mehr denken. Ich möchte meinen Ausgangsgedanken ändern. Ich möchte auch das dynamische Mindset.
Dynamisches Mindset
Wenn wir die Sache mit einem anderen Grundgedanken betrachten, stellen sich die Punkte plötzlich völlig anders dar.
Wenn ich glaube, dass unsere Fähigkeiten von Entwicklung abhängen, dann ist das Ziel bei all meinem Handeln, mich zu entwickeln.
Gut zu werden. Eine Fähigkeit zu erwerben. Etwas zu lernen.
Anstatt gut zu sein oder etwas zu haben.
Für mich ist es ein positives Zeichen, wenn sich Leute bemühen. Anstrengung und Fleiß sind nun Mal Grundpfeiler jeglicher Entwicklung. Jemand der sich anstrengt, möchte sich also entwickeln.
Ich selbst strenge mich folglich gerne an.
Herausforderungen sind für mich keine Gefahr schlecht dazustehen, sondern die Möglichkeit, sich zu verbessern.
Nur wer aus seiner Komfortzone stetig heraustritt, kann diese auch erweitern und sich so weiterentwickeln.
Ich freue mich auf jede Herausforderung und suche diese sogar aktiv.
Rückschläge senden mir nicht die Nachricht, dass ich etwas doch nicht draufhabe, sondern dass ich mich noch mehr bemühen muss. Mit meinen aktuellen Fähigkeiten kann ich das Hindernis zwar nicht überwinden. Aber da meine Fähigkeiten sich durch meinen Einsatz entwickeln, muss ich einfach noch mehr investieren.
Ich arbeite nach Rückschlägen nicht weniger, sondern sogar mehr.
Feedback anderer ist kein persönlicher Angriff. Wenn ich die Fähigkeit nicht von Natur aus besitze, ordne ich sie auch nicht meinem Selbstbild zu. Stattdessen gibt mir jedes Feedback die Chance, um mich zu verbessern.
Ich freue mich über Feedback und fordere es aktiv ein.
Der Erfolg anderer zeigt mir schließlich auf, welche Möglichkeiten es gibt. Wenn es andere dorthin geschafft haben, dann kann ich das auch schaffen, wenn ich entsprechend viel investiere.
Der Erfolg anderer schreckt mich also nicht ab, sondern motiviert mich sogar noch.
Sich viel anstrengen, Herausforderungen und Feedback aktiv suchen, Rückschläge und den Erfolg andere als Motivation nutzen.
Klingt schon eher nach einem erfolgsversprechenden Rezept, unser Potential auszuschöpfen.
Einordnung
Wichtig ist dabei noch folgendes:
- Es spielt keine Rolle, wie viel das „Talent“ in einem bestimmten Feld tatsächlich ausmacht.
Selbst wenn bei einer Sache der Erfolg zu 80% von angeborener Fähigkeit abhängt, so hilft es uns nicht, dieses Mindset zu haben.
Das Mindset entscheidet nämlich darüber, wie gut wir die verbleibenden 20% ausschöpfen. Und hierfür hilft es uns das Denken, dass fast alles von meiner Entwicklung abhängt. - Die zwei Mindsets sind keine starren Gegensätze, sondern nur die zwei Extreme auf derselben Skala.
Man findet bei sich in der Regel immer Elemente von beiden Seiten. Es ist sogar möglich, dass ich in einem Bereich ein dynamisches Mindset habe („ich muss mehr trainieren, um beim Sport besser zu werden“), während ich im anderen ein eher fixes Mindset habe („Mathe / Sprachen kann ich halt einfach nicht“).
Die Unterscheidung hilft uns aber dabei zu sehen, welches Denken und Verhalten uns behindert.
Und vor allem: In welche Richtung wir uns bewegen können, um mehr von unserem Potential auszuschöpfen. - Unser Mindset ist nicht angeboren, sondern trainierbar und erlernbar.
In dem Experiment wurden die Schüler durch 6 Worte in ein bestimmtes Mindset geprimt.
Das ist besonders wichtig für alle Eltern, Trainer, Lehrer und so weiter. Jedes Wort, das wir zu unseren Kindern sagen, hat eine Auswirkung. Wenn wir stets in eine bestimme Richtung geprimt werden, dann wird das irgendwann zu unserer Natur.
Was wir tun können – das Zauberwort
Wie bei den meisten Sachen, ist der erste Schritt zur Veränderung immer unser Bewusstsein. Ohne dass wir uns dessen bewusst sind, was unser Mindset für eine Auswirkung hat, werden wir dieses auch nicht ändern.
Daher ist das erste immer, festzustellen, wo uns ein gewisses Denken hindert und wo es uns nutzt.
Um uns dann in die richtige Richtung zu bewegen, hin zum dynamischen Mindset, ist der einfachste Weg über unsere Worte. Diese haben nicht nur Einfluss beim Gendern (Vgl. der Gast-Artikel von Toni), sondern auch auf unsere eigenes Mindset.
Jedes Mal, wenn ich mich ertappe „Ich kann das nicht“ oder „nicht mein Ding“ zu sagen, dann füge ich sofort das Wörtchen „noch“ ein. Ich kann das also noch nicht, bzw. etwas ist noch nicht mein Ding.
Das ist zwar nur ein kleines Wort, hat aber eine große Power. Jedes Mal wird nämlich die Nachricht an das Unterbewusstsein gesendet, dass der Zustand nicht fix ist, sondern veränderbar. Dynamisch. Das Zauberwort entwickelt daher nach und nach ein dynamisches Mindset. Mit jedem Mal sagen, mache ich einen Schritt in die richtige Richtung.
Wenn du in einem ähnlichen Mindset gefangen bist, wie ich es damals war, dann kann dir dieser Beitrag hoffentlich weiterhelfen. Wenn du bereits auf dem richtigen Weg unterwegs bist, dann dient er vielleicht als Auffrischung.
Vor allem aber hoffe ich, mit dem Artikel ein Bewusstsein zu schaffen, wie wir andere durch unsere Wort beeinflussen und welche Konsequenz scheinbar unwichtige Worte auf deren ganzes Leben haben können.
In der Hoffnung, dass wir in Zukunft eine Welt voller dynamischer Mindsets haben,
Johannes